AUCH LEBENSMITTELRETTUNG AUS CONTAINERN IST EIGENTLICH TEIL DES "ZIVILER UNGEHORSAM" . . . REICHT ABER NICHT!!
PERSPEKTIVE LEBEN
PROLOG
Die Ravensburger Petition · Ravensburger Lebensmittelretter freisprechen / Containern darf nicht kriminalisiert werden,
kann von den Mitpetent/innen auch kommentiert werden. So schrieb u.a. Anita K. das Folgende:
"Ich halte zivilen Ungehorsam dann für ein gutes Mittel des politischen Protests, wenn er friedlich abläuft! Und das betrifft auch die Lebensmittelrettung! Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll, bei der Erzeugung und Verarbeitung, bei GroßverbraucherInnen, im Handel und in Privathaushalten. Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird von vielen falsch verstanden als ein „Nach-Ablauf-ist-dieses-
Und wieder einmal hat mich dieser Kommentar und überhaupt die mir doch als recht pervers erscheinende deutsche Rechtsprechung beim Thema "Containern" dazu veranlasst, mich mit dem Thema des "Zivilen Ungehorsam" (ZivU) zu befassen. Und dabei dachte ich mir wiederholt, dass der ZivU doch eigentlich im deutschen Grundgesetz verankert werden sollte, damit mal Klarheit herrscht, ob er denn nun erlaubt sei, ohne sich strafbar zu machen, und wo da die Grenzen liegen. Also ne klare Definition des ZivU - und Schluss mit irgendwelchen Grauzonen. Oder - so überlegte ich weiter - ist der ZivU längst legitim und irgendwo zwischen den vielen Artikeln des Grundgesetz (GG) versteckt, ohne dass der Begriff selbst explizit im GG Erwähnung findet - bloß niemand hat's wirklich gemerkt? Ergebnis vorweg: Ja, und viele haben es nicht bemerkt, oder wollen es auch gar nicht bemerken und wahrhaben.
Bisher lag der Focus des ZivU in der Hauptsache bei den Aktionen der Aktivist/innen in Sachen "Umweltschutz", wie das auch seit Dezember 2020 in der oberschwäbischen Stadt Ravensburg und ihrem Landkreis der Fall ist. Doch der zivile Ungehorsam beschränkt sich keineswegs auf den "Umweltschutz", sondern gilt auch in Sachen "Lebensmittelrettung". Daher sind nach meinem Verständnis die Worte des Ravensburger Publizisten Wolfram Frommlet, die er auf der Veranstaltung im "Altdorfer Wald" (Kreis Ravensburg) zu den Themen Umweltschutz/Ukrainekrieg an seine Zuhörer richtete, auch in Sachen "Containern" gültig. Frommlet sagte am 2. April 2022 das Folgende:
"Dieser zivile Ungehorsam ist Teil politischer Partizipation, die unser gesellschaftliches System von autokratischen und diktatorischen unterscheidet. Eine Moderne Demokratie braucht Formen der Einmischung und des Aufbegehrens, die nicht mit der Obrigkeit abgesprochen, geschweige denn von ihr genehmigt sind, weil sie sich gegen Beschlüsse und potentiell auch gegen Gesetze richten, die Behörden, Kommunen, Länder- oder Bundesparlamente beschlossen haben. Der Staat soll in der Demokratie Schaden vom Volk abwenden, doch dies tut er gelegentlich aus politischen Abhängigkeiten heraus, wegen des Einflusses von Lobbyisten nicht. In einer Demokratie ist der Staat nicht unfehlbar wie der Papst oder Putin, und Bürgerinnen und Bürger nicht ohne Verstand."
Ziviler Ungehorsam ist also ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Man/frau könnte und sollte auch sagen: Ziviler Ungehorsam dient der Demokratisierung der Demokratie. Regierungen und Gerichte sollen hier auch nicht einfach nachgeben. Aber sie sollten auf die inhaltlich richtige Argumentation der (hier:) Lebensmittelretter eingehen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Das ist keinesfalls ein Eingeständnis von Schwäche. Frankreich ist auch nicht untergegangen, nur weil es dort seit Mai 2015 ein Gesetz gibt, welches das Wegwerfen von Lebensmitteln klar und eindeutig verbietet! Allerdings hat auch dieses Gesetze einige Haken und Schwächen.
Solange es aber in der BRD kein ähnliches (eigentlich "besseres") Lebensmittelschutzgesetz gibt, muss die deutsche Zivilbevölkerung die Rettung von über 18 Millionen Tonnen Lebensmittel - oder zumindest eines Teils davon - in die Hand nehmen. Anfangen aber muss das im eigenen Haushalt und - bevor Brot, Gemüse, Joghurt, Obst in Containern landet - an vielen vorgeschalteten Stellen. Ich erlaube mir deshalb hier einen Bericht des WWF dazu in ... Auszügen ... wiederzugeben, der es in sich hat *)
Mit umweltfreundlichen Grüßen, Stefan Weinert
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*) Seit Mai 2015 gilt in Frankreich ein Gesetz, das der Verschwendung von Lebensmitteln in den Supermärkten Einhalt gebieten will. Größere Supermärkte müssen noch essbare Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, entweder an Wohlfahrtsorganisationen spenden oder als Tierfutter beziehungsweise als Kompost für die Landwirtschaft zur Verfügung stellen. ... Konkret sollen die Verluste dadurch bis 2025 halbiert werden. Frankreich hat mit dem Gesetz einen ersten und mutigen Schritt getan ... Trotzdem ist Frankreichs neues Gesetz nicht die Lösung des Problems.
Nach unserer eigenen Studie „Das große Wegschmeißen“, entstehen in Deutschland lediglich 14 Prozent der Verluste im Handel. Unserer Meinung nach würde ein Gesetz, das sich nur eine Branche vorknöpft, zu kurz greifen. 61 Prozent der Lebensmittelabfälle in Deutschland entstehen insgesamt im Gewerbe – also im Einzelhandel, Großhandel, in der Gastronomie, bei der Herstellung, der Weiterverarbeitung und in der Landwirtschaft. Die restlichen 39 Prozent verschwendeter Lebensmittel werden von uns Privatkonsumenten in die Tonne gehauen.
Daher fordern wir für Deutschland eine Gesamtstrategie, die alle Bereiche berücksichtigt und in die Pflicht nimmt. Diese braucht sicherlich in Teilen auch gesetzliche Regelungen — damit Unternehmen, die sich besonders für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen einsetzen, nicht im Wettbewerb benachteiligt werden. Beispielsweise haben Händler Angst, dass ihnen die Kunden weglaufen, wenn sie nicht mehr für die gesamten Öffnungszeiten ihres Ladens alle Brot- oder Gemüsesorten vorrätig haben.
... Führt Deutschland lediglich ein Gesetz wie das in Frankreich ein, würden andere große Verschwender im gewerblichen Bereich verschont.
Gesetz mit LückenHandwerklich sehen wir beim französischen Gesetz außerdem zwei Fehler:
- Die Händler dürfen ihre überschüssige Ware auch einfach kompostieren. [Anmerkung von mir: " ... und an Schweine verfüttern, bzw. Tierfutter daraus machen, was nicht strafbar ist. Wären dann hungernde Menschen in Frankreich/Deutschland weniger wert - weil ja das Containern (BRD) verboten ist - als Schweine und Tiere allgemein?] Klar ist der Kompost besser als eine Müllhalde, aber trotzdem müssen die Lebensmittel unter Einsatz von Boden, Wasser, Land und Energie erzeugt werden. Das Ziel muss sein, dass nur die Nahrung produziert wird, die auch gekauft beziehungsweise gegessen wird.
- Außerdem ist davon auszugehen, dass die Massen der Lebensmittel, die durch das Gesetz nun an die karitativen Organisationen abgegeben werden, deren freiwilligen Strukturen überfordern. Das Vermarktungssystem mit seiner teilweise einkalkulierten beziehungsweise akzeptierten Verschwendung wälzt die Kosten für die Entsorgung auf ehrenamtliche Strukturen ab.
... Derzeit konzentriert sich die [deutsche] Regierung praktisch nur auf den Privatkonsumenten. ... von 18,38 Millionen Tonnen verschwendeter Lebensmittel sind heute bereits 10 Millionen Tonnen vermeidbar — jedoch nur 4,9 Millionen Tonnen in Privathaushalten. Um die Lebensmittelverschwendung wirklich zu halbieren, fehlen noch mehrere Millionen Tonnen. Wo sollen die herkommen, wenn nicht durch die Reduzierung von Verlusten im Gewerbe. --- Quelle: Warum Frankreichs Gesetz zur Lebensmittel-Verschwendung nicht die Lösung ist - WWF Blog